Ein Impuls über
- Rechtfertigung
- das Miteinander – die Haltung bestimmt das Verhalten
- den Perspektivwechsel
Nicht nur eine gesellschaftliche Thematik
In vielen Situationen fühlen wir uns gezwungen, unser Handeln zu erklären oder zu verteidigen – sei es gegenüber Familie, Freunden, Kollegen oder sogar Fremden. Dieser Druck kann aus unterschiedlichen Quellen stammen: gesellschaftliche Normen, soziale Erwartungen oder unser eigenes Perfektionismus-Streben.
Das Bedürfnis, sich zu rechtfertigen, steht oft im direkten Gegensatz zu dem Wunsch nach Authentizität. Authentisch zu sein bedeutet auch, sich treu zu bleiben, eigene Entscheidungen zu treffen und zu diesen zu stehen – ohne ständige Erklärungen abgeben zu müssen. Indem wir uns von der Last der Rechtfertigung befreien, öffnen wir uns für ein Leben, das auf unseren wahren Werten und Überzeugungen basiert.
Schauen wir uns zunächst mal zwei Perspektiven an, um das Thema richtig einordnen zu können. Die eine ist die vergangenheitsorientierte, die andere die zukunftsorientierte Perspektive. Hier geht es lediglich um die vergangenheitsorientierte Perspektive. Also für das, was bereits gesagt oder getan wurde. Rechtfertigung bezieht sich immer auf Geschehenes.
Die „Rechtfertigungsfalle“
Und hier kommen zwei weitere Aspekte hinzu. Erstens die Problemorientierung und zweitens das Mangelbewusstsein. Nur im Mangel kann überhaupt ein Problem erkannt werden. Zusammen mit der vergangenheitsorientierten Perspektive sind diese Eigenschaften ein guter Dreiklang für eine Zirkelbeziehung:
Rechtfertigung findet Schuldzuweisung, Schuldzuweisung die Schuld, Schuld das Urteil, Urteil die Strafe, Strafe die Strafminderung und diese wiederum die Rechtfertigung
Nun sind Schuld und Urteil eigentlich im juristischen Kontext zu betrachten, dennoch wird es immer wieder auch im zwischenmenschlichen Kontext genutzt. Jeder Vorwurf ist eine Schuldzuweisung und jeder Erklärungsversuch eine Rechtfertigung. Es gibt einen alten Ausspruch wer sich verteidigt, klagt sich an.
Es ist jedoch nicht immer nur die Botschaft selbst, die zur Rechtfertigung führt, sondern es hängt auch immer an der Art der Übermittlung und an der Person, die übermittelt.
Im Teamkontext betrachtet
Sollte es aber für andere nicht auch nachvollziehbar sein und verstanden werden, warum jemand etwas gesagt hat oder warum etwas getan wurde? Ein interessanter Aspekt hierbei ist, verstehen zu wollen, aber nicht automatisch auch damit einverstanden sein zu müssen. D.h. hier kommt das individuelle Urteilsvermögen ins Spiel. Um zu beurteilen, muss ich zunächst verstehen, das setzt Erklärung voraus. Ist der Grat zwischen Erklärung und Rechtfertigung jetzt schmal?
Nehmen wir mal eine der Säulen von Scrum – die Transparenz. War zu jedem Zeitpunkt Transparenz vorhanden? Wenn ja, wer braucht dann noch Erklärung?
Fehlte es vielleicht an einem gemeinsamen Verständnis? in Scrum nutzen wir das Backlog. Das Backlog ist
- single point of truth – was nicht im Backlog steht, ist nicht relevant für das Produkt
- single point of entry – jedwede weitere Quelle sollte aus dem Backlog verlinkt sein, z.B. über ein PBI
- Akzeptanz Kriterien – helfen uns dabei, die Gründe zu erkennen, wodurch mit dem PBI Wert geliefert wird
Haben wir mit den Inhalten im Backlog ausreichend Qualität erzeugt, um ein gemeinsames Verständnis aller Beteiligten zu erreichen und damit die Handlungsenergie in die Richtung des Produktziels, entlang der Produktvision, der Unternehmensziele, der Unternehmensvision, des Unternehmenszweckes zu lenken?
Um dies sicherzustellen, nutzen wir im Scrum events.
- Sprint Planning – spätestens am Ende des Sprint Planning sollte es ein gemeinsames Verständnis des Sprint Goals geben, welches als Commitment für das Sprint Backlog gilt
- Das Daily – ist nicht dazu da, zu erklären, was gestern gelaufen ist (#statusbericht)1), sondern gemeinsam zu beschließen, was jetzt getan werden muss, um dem Sprintziel näher zu kommen. Es ist ein Abstimmungsmeeting und dient ebenfalls dazu ausreichend gemeinsames Verständnis und Transparenz über die zu erledigende Arbeit zu erlangen, um auch hier die Handlungsenergie in Richtung des Sprint Ziels zu lenken
- Backlog Refinement – kein Scrum Event, aber häufig genutzt, um gemeinsam an der Qualität und der Ordnung im Backlog zu arbeiten
Somit haben wir alle Werkzeuge an der Hand, um zielgerichtet und Wert liefernd über ein gemeinsames Verständnis die Handlungsenergie zu lenken.
Damit kommen wir automatisch in die zukunftsorientierte Perspektive. Wir wenden somit den Blick wieder nach vorn.
Entscheidungen treffen
mit dem gemeinsamen Verständnis sind wir in der Lage Entscheidungen zu treffen. Eine getroffene Entscheidung muss nicht begründet werden. Denn die Basis unserer Entscheidungen sind unsere Spielregeln und unser Wissen. Entscheidungen sind somit zunächst weder gut noch schlecht, richtig oder falsch. Nur im falschen Umfeld, erfordern Entscheidungen auch Begründungen. Dann findet der Grund den Grund, dieser den Grund und so weiter und so fort. Wir verlassen dann wieder die zukunftsorientierte Perspektive.
Fehler passieren
Ja, Fehler passieren, aber niemand macht Fehler. Hierzu haben wir auch in Scrum ein Event, welches wir unter anderem auch dazu nutzen können. Die
- Retrospektive – retro (lat. rückwärts), spektivus (lat. hindurchblickend). Also ein Blick zurück auf Geschehenes
Die Retrospektive hat nicht den originären Zweck auf Fehler zu schauen, dies ist nur ein kleiner Bestandteil – bei Bedarf – um zu lernen. Sie hat auch nicht den Zweck Geschehenes zu erklären und wieder in die Rechtfertigungsfalle zu tappen.
Innerhalb der Retrospektive Maßnahmen zu benennen, um besser zu werden bedeutet auch nicht, dass man schlecht gewesen ist. Ich habe mal von Christo Quiske einen schönen Satz im Zusammenhang mit vergangenen Entscheidungen gehört, er sagte in etwa: uns ist zu diesem Zeitpunkt einfach nichts besseres eingefallen. Was für ein schöner Satz, um Druck aus dem System zu nehmen und es allen Beteiligten zu ermöglichen wieder in die Zukunftsorientierung zu kommen.
Perspektivwechsel ermöglichen
Der wesentliche Punkt ist, innerhalb der Teams ein gemeinsames Verständnis zu entwickeln und die Handlungsenergie auszurichten. Darin besser zu werden und die Methoden- und Toolfrage daran auszurichten. Agilität ist eine Haltung – beeing agile. Doing agile ist nachgelagert und kann hier durch Facilitations Techniken unterstützend eingesetzt werden.
1) https://www.scrum.org/resources/blog/wie-du-ein-statusmeeting-ein-daily-scrum-verwandeln-kannst