Das ist wichtig – Nö! Ist es nicht – Fort mit dem Ego

Ist das wichtig? Oder spricht da nur der Wicht? Erfahre, wie du den Fokus auf kollektive Relevanz lenkst und so zu besseren, zielgerichteten Entscheidungen kommst.

Der Tyrann des Wichtigen: Wie wir aufhören, für uns selbst zu kämpfen und anfangen, für das Team zu gewinnen

In unserer Serie haben wir die verschiedenen menschlichen Muster beleuchtet, die Fortschritt blockieren können: die „Rebellen„, die „Prinzipienreiter“ und die „informellen Führer„. Sie alle haben eine gemeinsame, subtile Waffe, um ihre Agenda durchzusetzen – eine kleine, unscheinbare Phrase, die jede Diskussion kapern kann:

Aber das ist wichtig

Wer hat diesen Satz nicht schon gehört? Er wird oft als unumstößliches Argument in den Raum geworfen, um den eigenen Standpunkt zu untermauern. Doch was passiert, wenn wir die entscheidende Gegenfrage stellen: „Wichtig – für wen?“ In den meisten Fällen entlarvt sich die vermeintlich objektive Wichtigkeit als eine zutiefst subjektive, ich-bezogene Sichtweise mit der Motivation, eigene Standpunkte nach Außen zu vertreten. Korrekter müsste es also heißen: „Das ist wichtig – für mich!“.

Warum wir für „Wichtigkeit“ kämpfen: Ego, Identität und Einfluss

Dieses Beharren auf der eigenen Wichtigkeit ist selten böswillig. Es ist ein menschlicher Impuls, der tief in unserer Psyche verwurzelt ist. Wir kämpfen für das, was uns wichtig ist, weil es unsere Rolle, unsere Expertise und letztlich unsere Identität im Team validiert. Der „informelle Führer“ zementiert seinen Status, indem er Themen als „wichtig“ deklariert. Der „Prinzipienreiter“ verteidigt sein Prinzip, weil es ihm wichtig ist. Es geht weniger um das kollektive Ziel, sondern um die Durchsetzung des eigenen Standpunktes.

Die Gefahr dabei: individuelle Standpunkte erhöhen unter Umständen das Konfliktpotential.

Von der individuellen Wichtigkeit zur kollektiven Relevanz

Im Teamkontext stellt die Definition von Wichtigkeit eine kollektive Herausforderung dar. Es geht darum, einen Konsens zu finden, der die individuellen Ansichten mit den Zielen und Bedürfnissen des Teams in Einklang bringt.

Der Schlüssel zur Lösung liegt in der bewussten Veränderung unserer Sprache und unseres Fokus. Statt über „Wichtigkeit“ zu streiten, fangen wie an, über Relevanz zu diskutieren.

  • Wichtigkeit ist subjektiv und an eine Person gebunden.
  • Relevanz ist objektiv und an ein gemeinsames Ziel gebunden.

Die Frage ist nicht mehr: „Warum ist dir das wichtig?“, sondern: „Warum ist dieser Punkt für unser gemeinsames Ziel relevant?“ Diese Verschiebung nimmt dem Ego den Wind aus den Segeln und lenkt die gesamte Energie auf die Sachebene. Plötzlich geht es nicht mehr darum, wer Recht hat, sondern darum, was dem Team, dem Produkt oder dem Kunden den größten Nutzen bringt.

Wie wir gemeinsam entscheiden

Um diesen Prozess zu strukturieren, brauchen wir klare, vereinbarte Spielregeln, die uns helfen, kollektive Relevanz zu bestimmen:

  • In agilen Großgruppenformaten: Ein Open Space lebt vom Gesetz der zwei Füße. Du entscheidest selbst, welches Thema für dich am relevantesten ist, indem du bleibst oder den Raum verlässt. Die Energie der Gruppe zeigt die kollektive Relevanz.
  • In der Retrospektive: Statt zu diskutieren, welches Thema das „wichtigste“ ist, nutzen wir Techniken wie das Team-Voting (Dot Voting). Die Maßnahme mit den meisten Stimmen hat die höchste kollektive Relevanz für das Team in diesem Moment.
  • Der/die Product Owner*in als Relevanz-Manager: Hauptaufgabe ist es, die unzähligen „wichtigen“ Wünsche von Stakeholdern entgegenzunehmen und sie im Product Backlog nach Wert und damit nach Relevanz für das Produkt-Ziel zu ordnen.
  • Das Sprint Goal als ultimativer Relevanz-Filter: Für die Dauer eines Sprints gibt es nur eine Wahrheit: Alles, was uns dem Sprint Goal näherbringt, ist hochrelevant. Alles andere ist es nicht. Das Sprint Goal schützt das Team davor, von plötzlichen „wichtigen“ Störungen abgelenkt zu werden.

Der kleine Wicht in unserem Kopf

Vielleicht hilft eine kleine sprachliche Eselsbrücke: Im Wort „wichtig“ steckt der „Wicht“ – ein kleiner Kobold oder Gnom. Stell dir vor, dass jedes Mal, wenn jemand (oder du selbst) sagt „Das ist wichtig!“, ein kleiner persönlicher Wicht spricht, der seinen eigenen kleinen Schatz verteidigt.

Die Kunst eines reifen Teams besteht darin, diese vielen kleinen Wichte freundlich zur Kenntnis zu nehmen, aber die Entscheidungen auf der Basis der kollektiven Relevanz für das gemeinsame, große Ziel zu treffen.

 


Ein schöner Vortrag über Sinnhaftigkeit, Bedeutung und Wahrnehmung: